
Seit Anfang 2023 gibt es Oldenburg Solidarisch. Seitdem arbeiten wir mit dem Beratungs-Organisierungs-Ansatz und versuchen eine revolutionäre Stadtteilgewerkschaft in Oldenburg Osternbrug aufzubauen. Seit 2023 sind wir im Aufbau und in stetiger Veränderung, seit einem Jahr sind wir zudem auch in der Praxis und machen einmal die Woche kostenlose solidarische Beratung und Aktionskomitee. Jetzt, zweieinhalb Jahre später, müssen wir das Projekt leider beenden.
Im Folgenden Text erläutern wir als Gruppe, warum es soweit gekommen ist und was wir aus dem Projekt lernen.
Grob sehen wir, das wir folgende Probleme in unserer Konstellation nicht beheben können: Mangelnde Diversität der Gruppe, fehlende Anbindung im Stadtteil, geringe Kapazitäten und Mitglieder.
Zunächst einmal zur Struktur der Gruppe. Die Initiativkräfte (die „Kerngruppe“, sie übernehmen die hauptsächliche Verantwortung und investieren viel Zeit) sind alle weiß, Anfang bis Ende zwanzig und verhältnismäßig Akademisch. Diese Zusammensetzung war schon so, als die Gruppe noch das Klimakollektiv war. Trotz einer Umorientierung und auch einem Durchwechsel der Mitglieder, ist es uns nicht gelungen heterogener zu werden. Das liegt zum Einen daran, dass es immer schwer ist die erste Person einer Gruppe zu sein, weil das meistens Arbeit für die Person bedeutet. Ist man also z.B die erste Frau in einer vorher rein cis-männlichen Gruppe, ist das schwierig und erfordert vermutlich Aufklärungsarbeit. So ist das natürlich auch, wenn man die erste ältere oder BIPOC Person ist. Zum Anderen haben wir uns als Gruppe nie im besonderen darum gekümmert, unsere Diversität zu erhöhen, auch weil wir dachten, dass das von alleine käme. Das ist rückblickend eine Fehlanalyse. Unsere mangelnde Diversität in der Gruppe hat auch dazu geführt, dass wir sozial keine Anbindung im Stadtteil Osternburg gefunden haben:
Auf der einen Seite hat unser Sozialberatungsangebot scheinbar nicht in die richtige Kerbe geschlagen. Es kamen nämlich in einem Jahr Beratung (seit September 2024) nur ca. 15 Menschen zur Beratung. Das bedeutet entweder, dass wir nicht das richtige Thema gewählt haben, um die Menschen im Stadtteil abzuholen, oder dass wir sie mit unserem Angebot nicht erreichen konnten.
Uns ist es nicht, gelungen sozialen Anschluss bei den Menschen in Osternburg zu finden und einen sozialen Raum zu schaffen, in dem sich Menschen gerne aufhalten, wohlfühlen und zu dem Menschen gerne aktiv etwas beitragen möchten. Deswegen sind wir als Gruppe auch nicht mehr Mitglieder geworden.
Zusätzlich sind auch noch viele Initiativkräfte abgewandert. Zu Anfang des Projektes, gab es 10 Initiativkräfte. Bis Frühjahr 2024 hielt sich trotzt Fluktuation die Initiativkraft Zahl immer bei ca. 10: es sind Leute weggezogen, aber auch Menschen nach z.B einem Vortrag nachgekommen. Leider gelang es uns aber nicht, dadurch mehr Menschen, gerade ältere Menschen aus der linken Szene mit mehr Erfahrung, so richtig für das Projekt zu begeistern. Auch bestehende Mitglieder unterschätzten teilweise, was es bedeutet Initiaivkraft zu sein, oder legten ihre Prioritäten in andere Bereiche ihres Lebens. Da wir erst zu einem späterem Zeitpunkt etablierten darüber zu reden, wie viel Zeit wir in das Projekt stecken können, kamen die kapazitären Einbrüche zu dieser Zeit noch überraschend und einige Initiativkräfte verabschiedeten sich durch nicht-auftauchen.
Zusätzlich gab es zwei große Konflikte in der Gruppe. In dem ersten Fall, ging es um übergriffiges Verhalten einer Person. Den Konflikt konnten wir aufarbeiten und Konzepte für solche Situationen in der Zukunft entwickeln. Der zweite größere Konflikt führte dazu, dass sich drei Initiativkräfte zurück zogen. Dass der Konflikt dermaßen große Ausnahme annahm, lag auch daran, dass wir keine Mechanismen hatten um Konflikte frühzeitig zu erkennen und zu lösen. Nachdem sich dann die letzte Person aus diesem Grund zurück zog, etablierten wir Möglichkeiten zur kollektiven Kritik. Zu diesem Zeitpunkt waren wir aber nur noch zu viert. Durch diese Probleme wurden wir nicht mehr Initiativkräfte. Da die Kapazitäten durch die dezimierte Anzahl an Initiativkräften sehr gering waren, waren wir seit Beginn 2025 nur noch mit dem Erhalt der Struktur beschäftigt, die aus Aktionskomitee (Infostände, Haustürgespräche, …) , Beratung, offenem Café, Social Media und Entwicklungstreffen bestand.
So haben wir es, Betriebsblindheit mit eingerechnet, nicht geschafft, die Lage in der wir uns auch schon damals befanden, zu reflektieren und unsere Struktur zu verändern. Jetzt sind wir an einem Punkt, an dem wir nicht das Gefühl haben, so weiter machen zu können.
Wir dachten lange, wir seien an einem temporären Tief unserer Entwicklung angelangt und es ginge vorüber. Wir befanden uns in der Illusion, dass sich unsere Probleme durch einen eigenen Raum lösen ließen, weshalb wir dann auch viele unserer Kapazitäten in das Crowdfunding sowie eine Vereinsgründung gesteckt haben. Nach einer längeren Analyse unserer Situation, müssen wir leider sagen, dass unsere Probleme tiefer liegen. Nach diesen Erkenntnissen haben wir überlegt wie wir jetzt weiter machen. Wir kamen zu dem Schluss, das wir entweder einen neuen Aufbauprozess starten müssen oder das Projekt Oldenburg Solidarisch beenden müssen.
Wir als Gruppe mussten feststellen, dass wir mit unserer Mitglieder Zahl und den damit einhergehenden Kapazitäten und der allgemein eher schlechten Ausgangslage in Oldenburg aktuell keinen Erfolg an einem erneuten Aufbauprozess unsererseits sehen. Um zu vermeiden, das wir uns politisch ausbrennen, lösen wir uns als Gruppe auf und erklären das Projekt Oldenburg Solidarisch für beendet.
Wir glauben trotzdem weiter, dass der Beratungs-Organisierung-Ansatz funktioniert und halten revolutionäre Stadtteilarbeit weiterhin für einen richtigen Weg; auch in Oldenburg. Aber wir müssen einsehen, dass es für uns so, wie wir es angegangen sind, nicht funktioniert hat.
Was bleibt, sind die Erfahrungen, die wir gesammelt haben, die wir auch in unseren zukünftigen politischen Engagements weiter verwenden werden. Falls es von Personen, gerade aus Oldenburg, Interesse daran gibt, mehr unserer Erfahrungen für ein eigenes Projekt zu bekommen, sind wir noch für eine gewisse Zeit unter unserer Mail unregelmäßig erreichbar.
Vielen Dank an alle, die bereit sind und waren das Projekt der revolutionären Stadtteilarbeit zu unterstützten, und an alle, die wie wir glauben, dass das der richtige Weg hin zu einem guten Leben für alle ist.
Explizit wollen wir uns auch bei allen Menschen und Kollektiven bedanken, die die Crowdfunding Kampagne unterstützt, beworben und durch Materialspenden erst möglich gemacht haben. Da wir das Projekt auflösen, wollen wir allen Personen die uns finanziell unterstützt haben ermöglichen, ihr Geld zurückzubekommen. Alles, was sonst noch an Geld übrig bleibt geben wir an Projekte, die revolutionäre Nachbarschaftsarbeit vorantreiben.
Nur weil wir das Projekt in Oldenburg beendet haben, heißt das auch nicht, dass es nicht in anderen Städten Gruppen gibt die auch Stadtteilgwerkschaften aufbauen und die zudem auch Unterstützung brauchen. Also schaut gerne bei den Genoss*innen vorbei!
- Kalk Solidarisch (Köln)
- Lobeda Solidarisch (Jena)
- Solidarisch in Gröpelingen (Bremen)
- Berg Fidel Solidarisch (Münster)
- Wilhelmsburg Solidarisch (Hamburg)
- Centro (Frankfurt)
- Lichtenrade Solidarisch (Berlin)

